Rund 13 Prozent der Mediennutzung entfällt hierzulande auf das Beschäftigen mit PC- und Videospielen. Das Werben in solchen Spielen macht im Gegensatz dazu nicht einmal 0,1 Prozent des Gesamtwerbebudgets aus. Eine Diskrepanz, die zeigt, dass hier noch riesige Marktchancen darauf warten, ausgeschöpft zu werden.
Wer hätte im Jahr 1996, als in Japan die ersten Pokémon-Spiele veröffentlicht wurden, dass 20 Jahre später Pokémon immer noch, oder besser gesagt wieder, einen riesigen Hype auslösen würde?
Die ganze Welt befindet sich derzeit im Pokémon Go – Fieber. Die Download-Zahlen der Nintendo-App, die der Augmented Reality endgültig den Durchbruch verschaffen wird, gingen kurz nach dem Start bei iTunes und Google Play durch die Decke. Überall jagen Smartphone-Nutzer durch die Straßen und machen sich auf die Suche nach den kleinen Monstern und Arenen für virtuelle Kämpfe.
Und Nintendo? Die freuen sich über einen steigenden Aktienkurs und eine mediale Aufmerksamkeit, die die verblasste Marke wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zurückbringt. Nur einen Haken hat der Hype um Pokémon Go für Nintendo. Geld verdient das japanische Unternehmen mit der kostenlosen App so gut wie keins. Doch das dürfte sich in Zukunft ändern: dank IGA.
Um zu verdeutlichen, was mit IGA gemeint ist, gehen wir ein paar Jahre zurück in die Vergangenheit. Als im Jahr 1983 das Autorennspiel „Pitstop“ für den Commodore 64 veröffentlicht wurde, war dies die Geburtsstunde für das In-Game-Advertising, kurz IGA.
Wenn der Spieler mit seinem virtuellen Auto gewisse Streckenabschnitte passierte, erblickte er an den Seiten der Strecke Werbebanden von Pepsi. Nach dieser Geburtsstunde wurde es um IGA jedoch erst einmal wieder still.
Erst nach dem Jahr 2000 tat sich wieder etwas in diesem Werbemarkt. Beim PC-Spiel Splinter Cell von Ubisoft steuert der Spieler den Geheimagenten Sam Fisher. Der James-Bond-Verschnitt kümmert sich vor den einzelnen Missionen auffallend oft mit einem Kaugummi der Marke Airwaves um seinen frischen Atem und bezieht Informationen ausschließlich von virtuellen PCs, auf denen Windows XP läuft.
Fußball ist das Zugpferd
Splinter Cell war bei weitem nicht das einzige Spiel, bei dem mit Werbeplatzierungen eine lukrative Nebeneinnahmequelle erschlossen wurde. Geradezu prädestiniert für Werbung sind Sportspiele. So verstärken bei der Fußballsimulationsreihe Pro Evolution Soccer die realen Werbebanden am Spielfeldrand sogar noch den realistischen Gesamteindruck. Ähnliches gilt für das Konkurrenzprodukt Fifa von EA Sports sowie für viele weitere Ableger, in denen sich Spieler in anderen Sportarten versuchen müssen.
Sportspiele sind bei Weitem aber nicht die einzigen Plattformen, auf denen Werbung Sinn machen kann. Wer als Unternehmer in Spielen werben möchte, sollte zunächst prüfen, welches Genre zu ihm passt, rät Marketing-Experte Sascha Langner: „ Das kommt auf die eigene Zielgruppe an und natürlich auch auf deren Werbeakzeptanz. Für ein Unternehmen, das bei einem Spiel der deutschen Nationalmannschaft Bandenwerbung schaltet, bietet es sich natürlich auch an, bei einer Fußballsimulation auf den virtuellen Banden im Spiel zu werben. Ähnliches gilt für Rennspiele.
Ein erster Schritt ist daher, zu analysieren, wo werbe ich derzeit, auf welche Weise und wo kann ich das in Spielen in ähnlicher Art machen? In einem zweiten Schritt macht es dann Sinn, nach Spielen Ausschau zu halten, die zwar die eigene Zielgruppe ansprechen, aber eigentlich keinen wirklichen Raum für Werbung bieten. Hier gilt es dann, gemeinschaftlich mit dem Spielestudio Ideen zu entwickeln, die für alle Anspruchsgruppen – also Werbetreibende, Spieleproduzent und Spielekäufer – akzeptabel sind und den Erfolg des Spiels selbst nicht mindern.
So bezahlt die Musikindustrie beispielsweise gezielt Spielehersteller dafür, dass diese Songs von neuen Interpreten in die Spiele als Hintergrundmusik aufnehmen. Der Effekt ist nachhaltig. Dadurch, dass man einen Song beim Spielen ein Dutzend Mal gehört hat, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man ihn gut findet und sich schließlich auch für das ganze Album der Band interessiert.“
Umsatz wird sich versechsfachen
Trotz der attraktiven Möglichkeiten steckt IGA immer noch in den Kinderschuhen. Die Yankee Research Group ermittelte für 2005 für den amerikanischen Markt einen Umsatz von 326 Mio. US-Dollar – im Vergleich zu den Aktivitäten in TV, Radiosendern und dem Internet ein kaum erwähnenswerter Betrag. Damals erwarteten die Experten jedoch einen wahren Boom, denn schon im Jahr 2012 sollten geschätzte 2 Mrd. US-Dollar mit IGA umgesetzt werden.
Bemerkenswert ist aktuell vor allem der Zusammenhang zwischen der Nutzung der Spiele und den Werbeaktivitäten der Unternehmen. So analysierte die Yankee Group im Jahr 2008, dass Amerikaner rund 13,5 Prozent ihrer Zeit, in der sie Medien nutzen, mit PC- und Videospielen verbringen. Gleichzeitig betragen die Werbeausgaben gemessen am Gesamtumsatz hier nur mickrige 0,06 Prozent. Zum Vergleich: Auf das Fernsehen entfallen 39,6 Prozent der Mediennutzung, die Ausgaben liegen bei 47,7 Prozent. Beim Internet sind es 12,7 Prozent Nutzung und 6,1 Prozent Werbeausgaben.
Aktuelles, verlässliches Zahlenmaterial zum Umsatz mit IGA gibt es leider nicht. Dass beim IGA noch ein gigantisches Wachstumspotenzial vorhanden ist, steht aber außer Frage. Einer der Vorreiter beim IGA ist übrigens der amerikanische Autobauer Chrysler, der bereits 10 Prozent seines Werbebudgets in Video- und PC-Spielen unterbringt.
Mit IGA neue Zielgruppen erschließen
Dass IGA den Durchbruch trotz all der guten Zahlen bislang noch nicht geschafft hat, lässt sich erklären. Zum einen haftet den Spielen noch ein schlechtes Image an. Videospiele kommen immer wieder durch die Ego-Shooter-Debatten in die Schlagzeilen. Auch scheint die Zielgruppe sehr eingeschränkt zu sein. Der typische Spieler wird als männlich zwischen 12 und 29 Jahren angegeben.
Doch mittlerweile hat das so genannte „Casual Gaming“ zu einer Trendwende geführt. Nicht zuletzt durch Konsolen wie die Nintendo Wii, auch hier war der japanische Spielekonzern also wieder Trendsetter, die sich bewusst an eine Klientel wendete, das bislang wenig mit Videospielen zu tun hatte, eröffneten sich neue Möglichkeiten.
Doch auch beim klassischen PC-Gaming erweitert sich die Zielgruppe. Familienfreundliche Aufbauspiele wie Anno, Die Siedler und Die Sims sorgen dafür, dass es den typischen PC- und Videospieler so nicht mehr gibt.
Dementsprechend entdecken inzwischen auch Unternehmen, die als Zielgruppe nicht unbedingt nur die medienaffinen 12- bis 29-Jährigen ansprechen wollen, das IGA so langsam für sich.
Professionelle Mittler fehlen noch
Doch noch eine weitere Hürde muss überwunden werden. Wie gelangt man als interessierter Unternehmer an ein Spielestudio, das ein interessantes Spiel, also einen potenziellen Werbekandidaten, entwickelt? Hier fehlen großteils noch die professionellen Mittler, die Kontakt zu beiden Seiten haben und Firmen bei Realisationsmodellen unterstützen können.
Viele Jahre haben sich diesen Markt einige Branchengrößen unter sich aufgeteilt, die hauptsächlich mit den großen Spielestudios zusammenarbeiten. In den USA waren das IGA Worldwide und Massive Inc., das zwischenzeitlich von Microsoft übernommen wurde. Beide Unternehmen sind inzwischen vom Markt verschwunden.
In Deutschland trifft man noch auf die Anbieter Seven One Interactive und RTL Enterprises. Wer bei kleineren Spiele-Labels werben will, muss sich hingegen selbst um den Kontakt bemühen.
Was ist gute Werbung?
Bleibt natürlich die Frage, wie gute Werbung in einem Videospiel aussehen kann. Schließlich soll sie einerseits auffallen, vom Spieler andererseits aber nicht als störend empfunden und weggeklickt werden. Hier hält Langner folgende Tipps bereit:
„Ob Werbung in Spielen als störend empfunden wird oder nicht, kommt auf die konkrete Einbindung an. Muss man sich beispielsweise bei Spielstart jedes Mal fünf Werbespots anschauen, dann wirkt dies im Spiel ebenso störend wie im Fernsehen. Gute Werbung in Spielen orientiert sich daher an den Erfolgsfaktoren des Product Placement in Kinofilmen. Wenn beispielsweise der Hauptdarsteller eines Spiels den Kühlschrank voll hat mit einem bestimmten Softdrink, dann kann dies bei geschickter Umsetzung sogar cool wirken und das Spiel authentischer erscheinen lassen.“
Für Unternehmer bleibt festzuhalten: Das Werben in PC- und Videospielen ist ein bislang noch wenig genutztes, aber durchaus attraktives Marketinginstrument. Die Möglichkeiten sind vielfältig und die Kosten – zumindest bei kleineren Spielestudios – überschaubar. Es gilt also, der eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen und eine Marktlücke zu nutzen, die in einigen Jahren garantiert keine mehr sein wird.
Dafür sorgen, dass IGA endgültig seinen Platz in der Werbebranche findet, wird zweifellos ein Spiel wie Pokémon Go. Es erfüllt dafür alle Voraussetzungen: Das Zielpublikum ist riesig, Smartphone und echte Welt verschwimmen miteinander und die Möglichkeiten, kreative Werbekonzepte zu platzieren, sind schier unbegrenzt. Schon jetzt dürften bei Nintendo die Köpfe rauchen, wie man die App durch In-Game-Advertising nicht nur zu einem Download-Schlager, sondern auch zu einer Cashcow machen kann!